Zuviel Stress? - Stadtschwalben verstoßen ihre Brut.

07.07.2016 21:41

Schockierend: eingeklemmt zwischen Grillkohle-Säcken und Brennspiritus kämpft ein schreiendes Schwalbenkind um sein Leben...

 Im Abstand von nur fünf Stunden stürzten sich heute die beiden letzten Küken aus dem Rauchschwalben-Nest am EDEKA-Markt in der Möllner Innenstadt. Sie waren nicht mehr gefüttert worden.

Ein grausamer Anblick, wenn Altvögel scharf am Nest  mit dem letzten verzweifelt bettelnden Jungen vorbeifliegen und es nicht füttern...

Was ist nur geschehen, dass die Schwalben ihre Brut aufgegeben haben und die Jungen vor Hunger und Verzweiflung aus dem Nest in die Tiefe sprangen?

Ich vermute, ein Elterntier ist umgekommen und bei den widrigen Wetterverhältnissen mit Sturm und Starkregen konnte ein einzelnes Tier die Brut nicht ausreichend versorgen.

Grausam auch der Anblick, wie sofort ein Altvogel wieder zum "Probesitzen" auf dem Nest sitzt, während unten noch das abgestürzte Schwalbenkind schreit...

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Unsere Schwalben bevorzugen als Kulturfolger die Nähe menschlicher Behausungen - zum Beispiel lauschige Ecken im Eingangsbereich von Gebäuden, wie hier an einem Schuhgeschäft in Mölln...

Doch der Mensch möchte sich seine Nachbarn aussuchen - und pfeift auf Natur- und Artenschutz, wenn es um seine Bequemlichkeit geht. Das Nest ist Vergangenheit...

Diese Nische ist inzwischen unter "Beobachtung" der Naturschutzbehörde. Auf meinen Alarm hin traf man sich am 30.5.  mit dem Eigentümer, der alle Nester entfernen ließ. Darunter auch gerade fertiggestellte Nester an Lampen...

Hier das "Ergebnis" des Ortstermins vom 30.5.2016...

Doch leider wurde nichts davon umgesetzt. Bis zum heutigen Tage sind weder "Nisthilfen", noch Kotbrettchen angebracht worden. Der Klebestreifen (s.o.) wurde nicht entfernt...

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Natur- und Umweltschutz: Wunsch und Wirklichkeit - ganz besonders für Schwalben!

Dass im Natur- und Umweltschutz ein großer Unterschied besteht zwischen der Realität und dem, was an Gesetzen und Vorschriften auf dem Papier steht, habe ich bereits am Thema Streusalz in umfangreichen Dokumentationen nachgewiesen. So verbietet in Mölln z.B. die Straßenreinigungssatzung im Normalfall das Salz...

Jedoch wird in der Realität das genaue Gegenteil praktiziert...

Eine Ausrede für Zuwiderhandlungen lässt sich immer leicht finden: im Winterdienst ist es das Totschlagargument der "Sicherheit", das den reichlichen Einsatz von umweltschädlichem Salz rechtfertigen hilft - obwohl der wahre Grund Bequemlichkeit bzw. Geiz ist: umweltfreundliche Streumittel sind meist teurer und machen in der Anwendung etwas mehr Arbeit, was wir Menschen natürlich gerne vermeiden.

Im Artenschutz ist es ähnlich: auf Landes- und Bundesebene gibt es zwar Gesetze, die z.B. die Störung von Brutvögeln ganz eindeutig untersagen. - Aber Hand auf's Herz: kennt jemand nur einen einzigen Fall, wo z.B. das Entfernen von Schwalbennestern mit einem Bußgeld geahndet wurde? Es findet sich immer eine Rechtfertigung, und wenn es der Schwalbendreck ist, der 'vielleicht' den Kunden eines Geschäfts auf den Kopf fallen könnte...

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Wie halten wir es mit der Naturliebe?

Jeder von uns würde auf die Frage, ob er /sie die Natur liebt, mit Sicherheit ohne Zögern antworten: "Ja, selbstverständlich!" - Doch wie drückt sich diese "Liebe" aus, was sind wir bereit für die Natur zu tun? Mit dieser Frage sollten wir uns in diesen Wochen, da die Natur zu vollem Leben erwacht, einmal beschäftigen...

"Die Nusser Störche sind zurück! " jubelte die örtliche Presse im März in der Zeitung und im Internet. Natürlich - welches Dorf würde sich nicht glücklich schätzen, Meister Adebar und seinen Anhang bei sich zu beherbergen...

Es gibt sogar öffentliche "Storchenbetreuer", die dafür sorgen, dass es den beliebten Vögeln an nichts mangelt!

Wir Menschen lieben die Natur, wenn sie uns ästhetisch erscheint und wenn sie uns keine Unannehmlichkeiten verursacht. Auch der Kranich ist in der Regel weit weg, macht keinen Dreck und wird von uns gern aus der Ferne bestaunt...

Doch wie sieht es mit anderen gefiederten "Migranten" aus, die ebenfalls im Frühling extra aus Afrika zu uns kommen, um hier sich fortzupflanzen und ihre Art zu erhalten? Hier Schwalben, die 2015 an besagtem Schuhgeschäft in der Möllner Innenstadt brüteten...

Rauchschwalben brüten als Kulturfolger seit Jahrhunderten in bzw. an menschlichen Behausungen. Ihren Namen erhielten sie, weil sie früher durch den schmalen Rauchabzug ins Haus flogen.

In unseren Städten haben sie es schwer. Es herrscht chronische Wohnungsnot; auf ungeeignetem Untergrund brüten sie mit unterschiedlichem Erfolg. - Diese Schwalbenfamilie hatte Glück: ich konnte das Nest nach dem Absturz von den glatten Lüftungsgittern wieder ankleben und die unverletzten Vogelkinder ihren Eltern zurückgeben...

Noch mehrere Jahre brüteten die Schwalben in diesem Ladeneingang erfolgreich an den Entlüftungs-Schlitzen...

Doch dann wurden Sanierungsarbeiten ausgeführt. Jetzt gibt es keine Chance mehr für die Schwalben...

Auch hier, vor einer beliebten Möllner Eisdiele, brüteten viele Jahre Schwalben. Kinder saßen bei ihren Vätern auf den Schultern und hatten ihre Freude an den Vogelbabys...

Doch in diesem Winter gab es Sanierungsarbeiten: die Mauernische, die den Vögeln jahrelang eine wunderbare Nistgelegenheit bot, wurde einfach verschlossen...

Kommen wir zurück zu den Schwalben am Schuhgeschäft. Auch in dieser Ecke im Eingangsbereich brüteten fast jedes Jahr Schwalben - aufgrund der engen Raumverhältnisse muss das Nest besonders geschickt gebaut werden...

(Man sieht übrigens, wie reinlich der Nachwuchs ist - das eigene Nest wird nicht beschmutzt!)

Doch das Nest wurde wie beschrieben entfernt...

Für die Schwalben wird es immer schwieriger, Nistmaterial (Lehm) zu finden. Doch sie müssen an zahlreichen Orten neue Nester bauen oder sogar aufgrund von Vertreibungsmaßnahmen ganz umziehen.

Der Möllner Markt ließ es sich letztes Jahr nicht nehmen, die "Schuhgeschäft-Schwalben" mit einem kleinen Artikel zu würdigen - mit Tierkindern kann man natürlich bei der Leserschaft immer punkten...

Auch ich habe 2015 dieses Nest portaitiert...

zum Schluss wurde es in diesem Nest sehr eng für die Jungen, da es immer mehr abbröckelte - aber alle Schwalbenkinder haben es ohne Absturz bis zum Ausfliegen geschafft!

Von diesem Nest ist jetzt nichts mehr zu sehen. Alle Nester an diesem Schuhgeschäft wurden entfernt. Und jetzt sogar die frisch gebauten!

Darüber wird der Möllner Markt sicher nicht berichten: hier ist das Verhalten von Kaufleuten betroffen, mit denen es sich die Presse grundsätzlich nicht verderben will. Und eine Geschichte von Herzlosigkeit gegenüber der Natur passt einfach nicht in das "Heile-Welt"-Bild, das die lokale Presse gerne vermittelt.

In ihrer Verzweiflung versuchten die Schwalben, auf den Lampen im Eingangsbereich zu brüten, anfangs hat man die angefangenen Nester abgekratzt und Luftballons angebracht, doch die Schwalben gaben nicht auf...

Nach einem mahnenden Rundschreiben an die Empfänger meiner Streusalz-Mails wurden die Luftballons entfernt - doch wie bereits oben gezeigt, wurden jetzt diese letzten Nester durch Abmontieren der Strahler zerstört.

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Es gibt fast keinen Ort in der Möllner Innenstadt, wo Schwalben unbehelligt brüten können. Mein letztes Beispiel ist das anfangs beschriebene Nest im Eingangsbereich einer EDEKA-Filiale. Dort, bzw. an der gegenüberliegenden Wand brüteten in den letzten Jahren immer Schwalben...

Dieses Nest wurde in diesem Winter ebenfalls entfernt...

Doch die Schwalben gaben nicht auf. Am 13.6.2016 brüteten sie in einem neuen Nest...

Über den Überlebenskampf und die zahlreichen Entfernungen von Schwalbennestern werden wir garantiert nichts in der Presse lesen.

Auch nicht über das Drama mit den verstoßenen Küken, die ich nun bei mir aufgenommen habe...

Es ist einfach nur deprimierend, wie gleichgültig der Mensch gegenüber seinen Mitgeschöpfen ist!

Und es zeigt sich wieder einmal: nur auf dem Papier sind bedrohte Tierarten gleich - es gibt immer einige, die gleicher sind als die anderen....

(alle Fotos: Beate Schicker)

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