Musikgenuss in der schönsten Natur - Festivals und ganz spezielle "Nebenerscheinungen"

08.08.2016 08:24

Als 1959 geborene Musikliebhaberin, ehemalige Musikstudentin und langjährige Amateur-Musikerin (Chor, Sologesang, Klavier, Kammermusik in verschiedensten Besetzungen) ist mir das Musikleben wohl vertraut. Unzählige Konzerte und Opernaufführungen, Festivalkonzerte, Kirchenkonzerte, Rezitals und Kammermusiken habe ich schon erleben dürfen und bin dafür unendlich dankbar. Musik ist ein unverzichtbarer Bestandteil meines Lebens.

Ich bin eine Cousine der bekannten Konzertpianistin und Klavierprofessorin Margarita Höhenrieder, die in München lehrt und weltweit konzertiert. - Ich kenne also das Musikleben mit allen seinen Facetten.

Das Musikfest auf dem Gut Pronstorf  im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals erlebte ich am vergangenen Wochenende zu ersten Mal. Die Festivaltage sind randvoll mit hochklassigen Musikdarbietungen. Man erlebt junge Künstler und Ensembles in einstündigen Rezitals mit hoch anspruchsvollen Programmen.  Für unterhaltsam-musikalische Kinderbetreuung ist gesorgt, sodass kein quengelndes Kind den Musikgenuss trübt.

Leider ist aber die Musik-Rezeption durch ständiges Klatschen des Publikums zwischen den einzelnen Sätzen beeinträchtigt. So kennt man es aus dem Konzertsaal nicht, und ich habe es in solcher Hartnäckigkeit, d.h. permanent und durch drei Rezitals hindurch bis zum letzten Musikstück (Mozarts Klarinettenquintett) noch nicht erlebt.

Als ein junges Streichtrio ein Haydn-Trio aufführte und bereits nach dem ersten Satz geklatscht wurde, zischelten einige Konzertbesucher noch – wohl in der Hoffnung, ihre klatschwütigen Zeitgenossen bändigen zu können. Leider erfolglos: ob Mozart, Schumann, Poulenc, Milhaud oder das hochdramatische Streichtrio von Dohnanyi:  es wurde erbarmungslos nach beinahe jedem Satz geklatscht. Dabei blieben nur langsame und leise Sätze „verschont“ – wohl auch deshalb, weil die Musiker nach dem Schlusston hier nicht ihre Bögen in die Luft schwingen, was von vielen Zuhörern offenbar als zwingende Aufforderung zum Klatschen verstanden wird.

Besonders bei Stücken wie der Dohnanyi-Serenade oder der hoch dramatischen Sonate von Francis Poulenc wünschte ich mir so sehr ein paar Sekunden Stille nach den Sätzen, um das Gehörte in mir nachklingen zu lassen und den im Kopf entstandenen Bildern Gelegenheit zu geben, im Schatz des Gefühlsgedächtnisses einen Platz zu finden.

Aber das Publikum klatschte, kaum dass die Musiker ihre Bögen nach dem Schlusston des jeweiligen Satzes schwungvoll in die Luft schwangen, schlagartig drauflos – ohne Erbarmen und offenbar unfähig, ein paar Momente der Stille und Sammlung ertragen zu können.

Ich fragte mich auch, ob dieses kollektive Klatschen "zwischen die Musik" eher  Unbedarftheit ist – weil man es nicht besser weiß – oder ob es tatsächlich ein allgemeiner Trend unserer heutigen Zeit ist, keine Stille mehr aushalten zu können. Für die Musiker selbst wäre Ruhe zwischen den Sätzen allemal gut: können einen Moment durchatmen, ohne sich mit gequältem Lächeln für den Applaus „bedanken“ zu müssen, sie könnten in Ruhe ihr Instrument nachstimmen und sich für den neuen Satz, der immer eine eigene Aussage und einen eigenen Charakter besitzt, sammeln.

Ich sprach nach dem ersten Rezital die Moderatorin auf dieses Klatsch-Phänomen an und wie störend ich es empfinde. Eine zweite Dame gesellte sich dazu, um dasselbe Problem anzusprechen. Wir bekamen die Auskunft, dass das Thema in der Anmoderation nur angesprochen wird, wenn die Künstler von sich aus den Wunsch äußern. Diese Auskunft fand ich allerdings wenig beruhigend.

Nun ist es ja bekannt, dass Künstler oft bescheidene, zurückhaltende und selbstlose Menschen sind. Welcher Musiker würde schon von sich aus zur Festivalleitung oder Moderatorin gehen und den Wunsch äußern, das Klatschen zwischen den Sätzen zu unterbinden. - Ich denke, die meisten Künstler nehmen es schicksalsergeben, wie es kommt und versuchen nicht, auf das Verhalten des Publikums Einfluss zu nehmen, auch wenn sie selbst es als störend empfinden.

Mein Musikgenuss war durch das ständige Klatschen zwischen den Sätzen jedenfalls stark getrübt. Es kam mit der Zeit Unwillen und Ärger hoch – der so gar nicht zu der Begeisterung und Ergriffenheit passt, die solch hochklassige Darbietungen im musikliebenden Hörer zu erzeugen vermögen.

Das unvermeidliche Klatschen nach dem Menuett (ebenfalls kein Schlusssatz) in Mozarts Klarinettenquintett hörte ich dann übrigens draußen vor dem Konzertsaal aus dem Lautsprecher. Mit meinem Hund hatte ich mich auf dem Rasen vor dem alten Kuhstall platziert, um Vogelgezwitscher,  vorbeischießende Schwalben, Himmelsblau und Wolken im Einklang mit der zauberhaftesten Musik zu genießen.

Ich hoffe, meine Zeilen sind eine Anregung, das „Klatsch-Dilemma“ vielleicht in internen Gesprächen der Festival-Organisation zu thematisieren und künftig eine Lösung zu finden, die möglichst vielen Bedürfnissen – auch dem nach Kontemplation und Sammlung während des Musikgenusses – gerecht zu werden.

Damit alle Konzertbesucher - auch die Sensibleren - in Zukunft diese einmalige Kombination von ländlicher Idylle und hochklassiger Musikdarbietung ungetrübt genießen können...

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