"Willkommenskultur" mit zweierlei Maß: von erwünschten und unerwünschten Migranten...

06.05.2017 21:16

Erschütternde Meldungen zum Zustand der Natur erreichen uns dieser Tage: Die Zahl der Vögel in Europa hat in nur 30 Jahren um fast eine halbe Milliarde abgenommen! Betroffen sind vor allem Vögel der Agrarlandschaft, aber auch viele Singvögel, die einst zahlreich unsere Städte bevölkerten. Alarmierender Insektenschwund, Verarmung der Naturlandschaft und immer intensivere Landwirtschaft sind Hauptursachen.

Doch auch im städtischen Umfeld haben wir es in der Hand, ob sich Vögel bei uns wohl fühlen!

Man kann z.B. Schwalben zum Brüten einladen, wie hier mit einem Kunstnest...

Oder sie abwehren - mit Netzen und Flatterband...

Es zeigt sich, dass die "Willkommenskultur" dem Menschen offenbar ganz und gar nicht angeboren ist: Misstrauen gegen alles "Fremde" und fehlende Sensibilität gegenüber Individuen, die unseren Lebenraum teilen wollen (und müssen!) scheinen in der menschlichen Natur verankert. Geradezu sinnbildlich hierfür ist der Umgang mit bedrohten Zugvogelarten.

Die schlimmsten Befürchtungen, was die Ignoranz städtischer Hausbesitzer bzw. deren Verwaltungen gegenüber dem Artenschutz betrifft, werden in diesem Jahr noch übertroffen. Hier eine besondere Brutalität gegen Vögel, die gerade "rechtzeitig" vor dem Eintreffen der ersten Rauchschwalben errichtet wurde. Das erste Bild zeigt einen angestammten Nistplatz für Schwalben. Auf dem zweiten Bild sehen Sie, dass hier eine gefährliche und brutale Schwalbenabwehr installiert wurde, die schlimmstenfalls zu tödlichen Verletzungen führen kann...

 

Doch nur große gefiederte Gäste haben eine große Presse: Storch und Kranich sind beliebte Zugvögel, um sie wird traditionell ein großes Aufhebens gemacht, sie werden gehegt und gepflegt, jeweils zu Beginn und am Ende der Brutsaison gibt es umfangreiche Zeitungsberichte...

Andere Zugvögel, die ein genauso beschwerliches und gefährliches Dasein haben, werden vertrieben, wegsaniert und wie Ungeziefer behandelt. - Diesen Schwalben hat man 2016 ihre gerade fertiggestellten Nester samt Unterlage gestohlen...

Auch in dieser Ecke, wo sie 2015 erfolgreich brüteten, waren sie 2016 nicht mehr erwünscht...

Und heute musste ich feststellen, dass dort entgegen der Zusagen an die Naturschutzbehörde weitere aktive Vergrämungsmaßnahmen stattfinden...

An dieser Eisdiele brüteten Schwalben noch 2015 in einer Mauernische - diese wurde 2016 zusaniert...

Ich berichtete im vergangenen Jahr mehrmals über Schwalben der Möllner Innenstadt, die mit so vielen Widrigkeiten zu kämpfen haben. Diese Schwalbenkinder vor einem Lebensmittelmarkt  wurden anfangs von den Eltern vorbildlich betreut...

Doch dann geschah ein Unglück: ein Elterntier kam nicht mehr zum Nest. Schließlich wurden die Kleinen nicht mehr gefüttert und sprangen verzweifelt in den sicheren Tod - zwischen Grillkohlesäcken eingeklemmt fand ich die halbtoten Vogelkinder im Abstand von wenigen Stunden...

Mit viel Liebe und Mühe fütterte ich die Schwalbenkinder mehrere Wochen lang, bis schließlich eines von ihnen flügge wurde und den Flug nach Süden antreten konnte...

Doch von dem Nest ist nichts mehr zu sehen: es wurde vor wenigen Tagen, im Februar 2017 entfernt...

Das ist nicht der erste Fall an diesem Lebensmittelmarkt. dort wurden schon mehrere Nester entfernt...

Immer mehr Nistplätze werden zerstört, doch darüber berichten die Zeitungen nicht...

Ein Möllner Fachwerk-Haus von 1663 wird beim Landesdenkmalamt als "Kulturdenkmal" gelistet. Man kann sich vorstellen, wieviele Schwalbengenerationen hier gebrütet haben - früher galten Schwalben als "Vögel des Glücks"!

Doch das hält die Eigentümer offenbar nicht davon ab, gefährliche und hässliche Abwehrmaßnahmen gegen Schwalben anzubringen...

Über diese artenschutzwidrigen Vogelabwehrmaßnahmen wurde die Untere Naturschutzbehörde, der örtliche NABU, die Denkmalschutzbehörde und sogar das Landesamt für Umwelt informiert. Geschehen ist nichts - in keinem der beschriebenen Fälle wurde eingegriffen! - Inzwischen sind die Schwalben aus dem Winterquartier zurückgekehrt und fangen mit dem Nestbau an. - Etliche von ihnen werden erfolglos nach Nistplätzen suchen!

Am Umgang mit Zugvögeln zeigt sich sehr deutlich, wie der Mensch mit zweierlei Maß misst: was er als "edel" und bewundernswert empfindet - wie Storch oder Kranich - schützt er, was jedoch mit Unannehmlichkeiten oder etwas Schmutz verbunden ist - wie Schwalben - vertreibt und vernichtet er.

Doch Schwalben sind genauso "geschützt" wie Störche und andere Zugvögel. Deshalb fordere ich erneut die Naturschutzbehörden auf, für einen wirksamen Schutz nicht nur auf dem Papier zu sorgen!

 

 

 

 

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