Der Möllner Leserbriefprozess - Stand nach der Berufungs-Verhandlung im Hauptsacheverfahren am 9. Oktober 2015 /Update 14.10.

10.10.2015 19:57

“Leserbriefe sind doch sowieso von der Meinungsfreiheit gedeckt!” sagte LN-Chefredakteur Hanno Hannes zu mir am 25.3.2013 - als ich verzweifelt und aufgebracht in der Redaktion anrief, nachdem ich eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Ratzeburg zugunsten zweier Möllner Rechtsanwälte in meinem Briefkasten gefunden hatte. Eine Verfügung auf Unterlassung von angeblichen Behauptungen über die Kläger, die ich nie aufgestellt hatte!

Mein erster Gedanke war, den Chefredakteur zu bitten, mir dies schriftlich zu geben: mein Leserbrief ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Natürlich bekam ich es nie schriftlich – im Gegenteil: im anschließenden Rechtsstreit unterstützte die Zeitung nicht mich, sondern meine Gegner. Schnell tauschten die Gerichte still und heimlich “Behauptungen” gegen “Eindruckserweckungen” aus, um den Klägern auch nach der Aufdeckung des Irrtums (sie waren nämlich mit meinen Zeilen überhaupt nicht gemeint!)  ein Klagerecht zu sichern. Unter Mitwirkung der Presseanwälte des Madsack-Konzerns klagten sie erfolgreich durch die beiden Instanzen des einstweiligen Verfahrens - und nun leider auch in der zweiten und letzten Instanz des Hauptsacheverfahrens.

Doch eine wichtige Äußerung des Vorsitzenden Richters - und Landgerichtspräsidenten - während der Verhandlung am 9. Oktober 2015 blieb mir im Gedächtnis haften - und heute, nachdem der erste große Schock überwunden ist,  beginnt sie mir zunehmend Mut zu machen: "Hier sitzen eigentlich die Falschen"...

So wörtlich äußerte sich der Richter mit ernster Miene, nachdem ich ihm nochmals erläutert hatte, dass der Satz: "ein Anwalt, der Salz streut, ist kein Vorbild" nicht von mir stammte, ja dass ich zu keinem Zeitpunkt der gesamten Korrespondenz mit den Lübecker Nachrichten von einem "salzstreuenden Anwalt" gesprochen habe. Im Gegenteil: ich hatte immer sehr differenziert zwischen ausführenden Personen (z.B. einem Hausmeister, der ständig Salz streute, mich sogar bedrohte und beleidigte) und den im Hintergrund agierenden oder die Situation lediglich "duldenden" Personen unterschieden.

Unglaublich viel Schmerz und Leid hat die Zeitung durch die unautorisierte Leserbrief-Veröffentlichung vom März 2013 und den daran anschließenden Gerichtsprozess über mein Leben gebracht. Beschämende verbale Inkriminierungen, Entwertungen, ja Demütigungen musste ich in den Klägerschreiben, aber auch in den einstweiligen Urteilen lesen. Von “Uneinsichtigkeit” war da die Rede – nur weil ich mich des ganz normalen prozessualen Mittels des Bestreitens bediente und natürlich immer wieder klarzustellen versuchte, dass ich nie irgendwelche “Behauptungen” über die Kläger aufgestellt habe.

Es sei mein “Hobby, das Streusalz zu beschimpfen”, höhnten die Kläger.  Und das Landgericht Lübeck deutete meine schriftlich vorgetragene Bitte, die Kläger mögen über eigenes Fehlverhalten nachdenken (gemeint war hier ihr prozessuales Verhalten!) sogleich um und mutmaßten, ich hätte “mit dem Thema Streusalz nicht abgeschlossen”.

“Wiederholungsgefahr” wurde seitens der Kläger und der Richter in den einstweiligen Urteilen von meinem allgemeinen, nie von irgendeiner Seite beanstandeten Umweltengagement abgeleitet (z.B. von dem Umstand, dass ich in der Vergangenheit schon den einen oder anderen Leserbrief geschrieben hatte), aber sogar auch von der Tatsache, dass ich die streitbefangenen Behauptungen nach der im Zivilprozess üblichen Art bestritt. – Bald bekam ich das Gefühl, nur noch Fehler machen zu können: wenn ich die mir vorgeworfenen Handlungen bestritt, wurde das als Indiz für eine “Wiederholungsgefahr” gewertet – wenn ich jedoch nicht bestritten hätte, wäre es schlicht ein Schuldeingeständnis gewesen!

Und in dem gesamten Verfahren ging es um Äußerungen, von denen ich überzeugt war, sie stünden unter dem besonderen Schutz redaktioneller Verschwiegenheit. – Natürlich bin ich dabei von meinem eigenen Verhalten als Ärztin und Psychotherapeutin ausgegangen: niemals würde ich als Therapeutin mir Anvertrautes preisgeben, ohne den Äußernden vorher ausdrücklich um Erlaubnis bzw. Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu bitten! Gerade in meinem Beruf ist es wichtig, dass die Patienten meiner Verschwiegenheit vertrauen und ohne Angst vor negativen Auswirkungen ihre Gefühle und Gedanken, ihre eigenen Erfahrungen oder auch Taten, aber auch natürlich auch ihren Unmut über Verhalten in ihrer sozialen Lebensumgebung äußern können. Und dass sie dabei sicher sind, dass das Gesagte bei mir 100% unter Verschluss bleibt!

Dass es eine redaktionelle Schweigepflicht gibt, war mir bekannt. Ich habe der Redaktion vertraut, dass sie diese bei dem vorgetragenen konfliktreichen Thema einhalten und mit dem übermittelten Material in Wort und Bild verantwortungsvoll umgehen würde.

Ich war schockiert, als ich meine Zeilen als “Leserbrief” aufgearbeitet, mit einer vollkommen überspitzten redaktionellen Überschrift versehen, in der Zeitung las. Ich war tief beschämt, als ich zwei Tage später die unsägliche, herabwürdigende und demütigende “Gegendarstellung” des Rechtsanwalts Wolfang H. (der Vater des einen der beiden Kläger) lesen musste.

Viel Kraft, Zeit, materielle Mittel und seelische Anstrengung kostete mich bisher der Prozess. Der Kampf gegen die Verzerrung meines eigenen Selbstbildes durch die Erniedrigungen und Anschuldigungen, die ich immer wieder lesen musste, verlangte mir viel Energie ab. Ein Lichtblick und Hoffnungsschimmer war das positive Urteil in der ersten Instanz des Hauptsacheverfahrens, das ein Verbot von “Eindruckserweckungen”  als unzulässig bezeichnete und die Kläger-Anträge zurückwies.  Doch dabei sollte es nicht bleiben. Die Kläger legten Berufung ein – und das Landgericht Lübeck gab der Berufung gestern zu meiner großen Enttäuschung statt.

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9. Oktober 2015: die Zuschauerbänke im Landgericht Lübeck blieben leer, als die Verhandlung  in der Berufungsinstanz des Hauptsacheverfahrens zum Möllner Streusalz-Leserbrief stattfand. Der Richter hatte die Verhandlung um drei Wochen verschieben lassen, die er nutzte, um seine Urteilsbegründung fix und fertig zu verfassen. Die Verhandlung selber geriet dadurch natürlich zur reinen Farce. Das klägerfreundliche Urteil stand von vorneherein fest: mir werden sehr weit gefasst  “Eindruckserweckungen” in Bezug auf die Kläger verboten, egal auf welche Weise diese Eindrücke bei wem auch immer entstehen könnten.

Wie soll ich damit umgehen? Am besten, ich binde mir einen Maulkorb um und bleibe für den Rest meines Lebens zuhause sitzen. Doch auch das könnte bestimmte Eindrücke erwecken!

Dieses Urteil trifft mein Selbstverständnis aufs Empfindlichste. Ich bin als Ärztin und Psychotherapeutin mit Herz und Seele für die psychisch kranken, beladenen und belasteten Bürger von Mölln und Umgebung da. Meinen Arztberuf übe ich bereits seit 1988 aus, in dieser Stadt seit 2007. Ich liebe meinen Beruf über alles! Mindestens 50% meiner PatientInnen sind schwer traumatisiert, sehr oft durch Vergewaltigungen oder sexuellen Missbrauch (oft über viele Jahre) in der Kindheit. Die Täter: Stiefvater, Vater, Onkel, Bruder, Nachbar oder Cousin. Und solche Taten gibt es überall, auch im Herzogtum Lauenburg, auch in Mölln, und selbstverständlich auch in der aktuellen Gegenwart.

Die meisten dieser Täter werden nie zur Verantwortung gezogen. Angst, Scham und emotionale Erpressung lasten auf den Opfern – sie leiden unter Schuldgefühlen oder werden von der Familie eingeschüchtert, nicht durch eine Anzeige die “Familie zu zerstören”. Hier habe ich es mit Menschen zu tun, die wirklich Opfer sind – und die Täter sind wirkliche Verbrecher!

Allein in Deutschland laufen hunderttausende Straftäter frei und unbehelligt herum. Mein Leben und Wirken für die Opfer ist dem Helfen, Trösten, Heilen gewidmet. Zusätzlich sorge ich mich um unsere geschundene Umwelt und versuche auf mehr Achtsamkeit im Umgang mit der Natur hinzuwirken.  Und nun werde ich wegen meines Umweltengagements, genauer wegen eines Streusalz-“Leserbriefs” - der noch dazu ohne meine Erlaubnis veröffentlicht wurde! - zur Täterin gestempelt, meine Gegner bezeichnen sich wörtlich als “Opfer”! Das ist einfach unerträglich - ein furchtbarer Angriff auf mein Selbstverständnis, mein Lebensgefühl, meine Menschenwürde.

Da ich der Überzeugung bin, dass das nun ergangene Urteil gegen mein Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit und zudem u.a. gegen Bestimmtheitsgrundsätze verstößt, werde ich dagegen gerichtlich auf dem Wege einer Verfassungsbeschwerde vorgehen. Diese werden meine Anwälte vorbereiten, sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt. Ich erwäge darüber hinaus, die Lübecker Nachrichten zur Verantwortung zu ziehen für das, was sie mir durch die unautorisierte “Leserbrief”-Veröffentlichung angetan haben. Mein Leben ist nicht mehr, was es vorher war, und daran hat das Verhalten der Zeitungsredaktion einen ganz erheblichen Anteil!

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