Antwort auf die Anfrage der Lokalredaktion der Lübecker Nachrichten zum Thema Streusalz

01.12.2016 12:00

Hier der Wortlaut meiner Antwort auf die gestrige Anfrage der Lokalredaktion der Lübecker Nachrichten:

>> Lübecker Nachrichten / Lokalredaktion Herzogtum  Lauenburg

23879 Mölln

Sehr geehrter Herr Grombein,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 30. November 2016.

Sie erwähnen eine von der Stadt Mölln geplante neue Streutechnik mit „bis zu 50% Reduktion“  des Salz-Verbrauchs. Dazu möchten Sie mich – wie Sie es ausdrücken – in einem Artikel „zu Wort kommen lassen“ und fragen:

>> Begrüßen Sie diese Bemühungen der Stadt und versprechen Sie sich dadurch positive Effekte für die Umwelt? <<

Die Beantwortung einer zweiteiligen, suggestiven Ja/Nein-Frage erscheint mathematisch gesehen mit 4 Antwortmöglichkeiten einfach, inhaltlich jedoch nicht. Deshalb gestatten Sie mir einige Ausführungen dazu.

Das Thema „Streusalz im Winterdienst“  wird von mir seit 2013 mit allen seinen Implikationen eingehend behandelt. Dazu gehören Themen wie Streusalz und Umwelt,  Medien und Streusalz, Alltags-Psychologie des Streuverhaltens, Streusalz und Lokalpolitik, rechtliche Aspekte etc.

In annähernd 200 Streusalz-Mails, einem Blog und auf meinem Twitter-Nachrichtenkanal versuche ich dem Thema mit seiner außerordentlichen Tragweite gerecht zu werden.

Fast alle meine Streusalz-Mails mit breitem Empfängerkreis aus Politik, Umweltorganisationen, Medien und Gesellschaft gingen auch an Ihre Redaktion. Die Redaktion hat bisher diesen Publikationen und auch meinen sonstigen Umweltschutz-Aktivitäten kein erkennbares Interesse geschenkt. Im Gegenteil, Sie selbst haben Ihr mangelndes Interesse an diesem brisanten Umweltthema öffentlich  demonstriert, indem Sie die Sitzung des Forst- und Grünflächenausschusses der Stadt Mölln am 19. Mai 2014 noch vor meinem Vortrag fluchtartig verließen.

Ich bin die einzige Streusalz-Bloggerin deutschlandweit. Insbesondere meine Foto-Dokumentationen zu Salzschäden an Bäumen sind wahrscheinlich umfangreicher als alles, was zum Thema bisher veröffentlicht wurde. Die Lübecker Nachrichten  dürften somit die bestinformierte Tageszeitung zum Thema „Streusalz“ sein.

Und nun kommen Sie mir mit einer Frage zum Streusalz, die man nur mit Ja oder Nein beantworten kann! Sie werden mir zustimmen, dass dies schon recht kurios ist.

Ich möchte trotzdem versuchen, zu Ihrer Frage Stellung zu nehmen:

In Ihrer Einleitung heißt es: „Die Stadt Mölln will eine neue Technik einsetzen, mit der es möglich sein wird, die vom Bauhof ausgebrachte Streusalz Menge enorm zu reduzieren. Die Rede ist von einer Reduktion um bis zu 50 Prozent“.

Dazu muss ich zunächst sagen, dass mir diese angeblich „neue Technik“ nicht näher bekannt ist, ich jedoch seit dem letzten Winter ein verstärktes Experimentieren des Winterdienstes mit Feuchtsalz (Sole) beobachte. Die Sole hinterlässt breiige Batzen und spritzt gegen die Bordsteinkanten, oft auch in die Baumscheiben hinein…

Wenn dann von einer „Reduktion um 50%“ die Rede ist, muss zunächst nach dem Ausgangswert gefragt werden, der mir ebenso wenig bekannt ist. Auf jeden Fall beobachte ich in Mölln ein zunehmendes „prophylaktisches“ Salzstreuen, d.h. ein Ausbringen von Salz auf bloßen Verdacht hin, dass es glatt werden könnte. Gestern beispielsweise hatten wir die Situation, dass die Temperatur bei völliger Niederschlagsfreiheit von Minus- zu Plusgraden wechselte. Das war offenbar Anlass, hemmungslos Feucht- und Trockensalz auf die Straßen zu werfen…

Die Frage, ob eine Reduktion um 50 % des bisherigen Wertes zu begrüßen sei scheint mir deshalb vergleichbar mit der Frage, ob man einen Hasen lieber mit 10 als mit 20 Schrotkugeln erschießen sollte, weil schließlich 10 Kugeln weniger tödlich als 20 Kugeln sind.

Die Streusalz-Problematik ist äußerst vielschichtig und bisher in Wissenschaft, Politik  und Medien sträflich vernachlässigt worden. Jede Diskussion wird mit dem Totschlagargument der „Sicherheit“ im Keim erstickt. Es wäre geradezu fahrlässig, den Eindruck zu erwecken, mit einer ominösen „bis zu 50 prozentigen“ Reduktion des Salzverbrauchs alle Chlorid-bedingten Probleme lösen zu können.

Deshalb sind meine Forderungen weitergehend:

  • Streusalzschäden müssen quantifiziert werden! Bodenproben an typischerweise Streusalz-belasteten Standorten müssen entnommen, untersucht und ein entsprechendes Kataster öffentlich zugänglich gemacht werden 
  • Gesetze zum Schutz der Umwelt vor schädlichen Einwirkungen durch Streusalz müssen auf den Weg gebracht werden
  • Alternativen zum derzeitigen ungehemmten Salzeinsatz im öffentlichen und privaten Winterdienst müssen vorangetrieben werden
  • Konkrete Zahlen zu materiellen Schäden durch Streusalz, wie vorzeitiges Absterben von Straßenbäumen und Belastung von Gewässern, müssen ermittelt und öffentlich zugänglich gemacht werden
  • Das Haftungsrecht muss überarbeitet werden: es kann nicht sein, dass allein aus Regressangst flächendeckend umweltgiftiges Salz gestreut wird, nur weil bei Glätteunfällen die Haftung überwiegend beim Grundstückseigentümer bzw. der Gemeinde oder dem jeweiligen Straßenbetreiber liegt.
  • Die Abgabe von Streumitteln durch den Einzelhandel muss reglementiert werden: es ist ein unhaltbarer Zustand, dass Baumärkte und Discounter ausschließlich Streusalz anbieten, wenn in Gemeindesatzungen der Gebrauch von Streusalz untersagt ist!

Ich hoffe, Sie können aus meinen Ausführungen entsprechende Anregungen für Ihren Artikel entnehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Beate Schicker <<

 

 

 

 

 

 

 

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