Was hat die @PolizeiMannheim falsch gemacht...? Umgang mit Hass und Hetze im Internet

28.02.2017 07:54

Stellen Sie sich vor, Sie kämen zu einem Unfallort, an dem gerade zahlreiche Rettungskräfte und Polizei mit der Versorgung von Schwerverletzten, Sicherung der Unfallstelle und Aufnahme des Unfallgeschehens beschäftigt sind. - Und Sie würden nun um die Unfallstelle herumspringen und ständig Dinge fragen wie: "Ist der Unfallfahrer ein Raser, ein jugendlicher Fahranfänger, ist er alkoholisiert oder bekifft...?"

Unvorstellbar, nicht wahr? Sie würden sofort und ohne Umschweife von Ordnern von dem Platz entfernt und vielleicht noch eine Anzeige wegen Behinderung von Einsatzkräften kassieren.

Anders im Internet: da schaffen es anonyme Störer und Trolle sogar, rund um ein akutes Verbrechen mit Toten und Schwerverletzten die Polizei in Diskussionen zu verwickeln...

Und weiteren Verlauf gelingt es ihnen gar, die antwortenden Polizisten regelrecht aus der Fassung zu bringen...

Die Abkürzung "WTF" (what the fuck) drückt deutlich aus, dass der Angesprochene genervt und verärgert ist. - Und unterschätzen wir nicht die Zeit, die ein verwirrter oder verärgerter Mensch für das Nachdenken über eine passende Antwort braucht!

Aus der Pädagogik wissen wir, wie hartnäckig "ungezogenes" Verhalten werden kann, insbesondere wenn es durch viel Beachtung belohnt wird...

In der Diskussion um Hate-Speech und den Anstieg fremdenfeinlicher Aktivitäten im Netz und auch draußen in der Realität fragt man immer nach den Ursachen - dabei ist es mindestens so wichtig, nach den Belohnungsfaktoren zu fragen!

Einer der wichtigsten Belohnungsfaktoren für menschliches Verhalten ist Beachtung. Schon ganz kleine Kinder versuchen, auf jede mögliche Art Beachtung zu erlangen - am Beginn des Lebens ist das überlebenswichtig! Später dann lernen sie schnell, wie sie durch eigenes Verhalten, z.B. Füttern von Tieren, Beachtung bekommen...

Im Internet wird dieses Bedürfnis nach Beachtung beispielsweise durch die Zahl der "Freunde" oder Follower, durch Retweets und Fav's oder Antworten befriedigt. Ein vielbeachteter Tweet  bietet dem Absender ein großese Erfolgserlebnis und ist Ansporn, weiterzumachen. Viele Hasser und Trolle erleben so etwas jeden Tag! Je anstößiger, hasserfüllter und widerlicher eine Äußerung, umso mehr Erfolg hat sie (leider) im Internet!

Der Erfolg stellt sich doppelt ein: duch Zustimmung Gleichgesinnter und durch Empörung der anderen.

Twitter empfiehlt inzwischen selbst, Hass-Accounts und Trolle nicht durch Antworten zu bestärken...

Das explosionsartige Anwachsen von Hass und Hetze im Internet ist zu einem erheblichen Teil mit psychologischen Belohnungsfaktoren (Beachtung, Zustimmung, Anerkennung, Empörung) zu erklären, der durch solches Verhalten erlangt wird.

Und so sind Bemühungen wie die der Mannheimer Polizei, durch Antworten - auch wenn sie sachlich richtig sind - die Hasstrolle mundtot zu machen, leider nicht von Erfolg gekrönt.

Wie müsste man anonymen Trollen und Hetzern stattdessen begegnen?

Mein wichtigster und dringendster Rat an alle offiziellen Accounts von Polizei, Behörden, Institutionen u.ä. lautet:

1. Beantworten Sie niemals Posts/Tweets von anonymen Accounts! Die schlimmsten Hass-Posts kommen aus dem Schutz der Anonymität. Sie belohnen durch Ihre Antworten - auch durch Widerspruch - ungewollt Hass und Hetze, indem Sie Hatern Beachtung schenken.

2. Blocken Sie stattdessen Hass-Accounts oder leiten Sie Ermittlungen ein! Grenzen setzen ist die einzig wirksame Methode, um Hass und Hetze im Internet einzudämmen.

3. Fördern Sie konstruktives Verhalten im Internet, indem Sie Menschen beachten und unterstützen, die ihre Identität zeigen und für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintreten!

Und meine Forderung auch an die Politik: wichtig wäre mehr lernpsychologische Forschung zu Hass und Hetze - insbesondere im Internet - denn nur was wir verstehen, können wir wirksam bekämpfen!

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