Vier Jahre danach - ein totgeschwiegener Presseskandal: Brief an den Deutschen Presserat

09.04.2017 10:58

Sehr geehrte Damen und Herren,                                             

am 21. März 2017 jährte sich zum vierten Mal die unerlaubte Veröffentlichung eines „Leserbriefes“ unter meinem Namen in der Lokalausgabe Lauenburg der Lübecker Nachrichten zum Thema Streusalz und Umwelt.

Aus einer vertraulichen E-Mail, die ich an die Redaktion geschickt hatte, um das drängende Umwelt-Thema auf die mediale Agenda zu bringen, wurden Sätze herausgerissen, mit einer provokant überspitzenden redaktionellen Überschrift versehen („Ein Rechtsanwalt, der Salz streut, ist kein Vorbild“) und mit meinem Namen abgedruckt.

Diese von mir nie autorisierte Veröffentlichung  wirkte auf mein Leben wie ein Bombeneinschlag. Auf den Schreck und das Entsetzen darüber, die eigenen Worte – redaktionell verstümmelt und mit einer entstellenden Überschrift versehen – in der Zeitung zu lesen, folgte im Abstand weniger Tage ein Schock nach dem anderen: nach 48 Stunden eine „Gegendarstellung“ voller Hass und Häme, verfasst vom Vater eines der Rechtsanwälte, die sich durch die veröffentlichten Zeilen auf den Schlips getreteten fühlten, am selben Tag eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts mit dem Verbot „zu behaupten, die Möllner Rechtsanwälte S. & H. hätten vor ihrer Kanzlei Salz gestreut“, unverhohlene Häme und Schadenfreude mancher Mitbürger und nicht zuletzt die erschütternde Erfahrung, von der Redaktion in einer Situation größter Bedrängnis im Stich gelassen zu werden - wohlgemerkt von eben jener  Redaktion, die mich dieser Bedrängnis überhaupt erst ausgesetzt hat.

Doch es blieb keine Zeit, mich von diesen Erschütterungen zu erholen: auf die einstweilige Verfügung folgte eine groß angelegte gerichtliche Racheaktion jener Möllner Rechtsanwälte – unterstützt durch hochdotierte Pressejuristen des Madsack-Medienkonzerns, die sich letztlich über fast drei Jahre hinzog und im Oktober 2015 mit einem skurrilen Urteil auf „Unterlassung des Erweckens eines Eindrucks“ endete.

Mit welchen perfiden Mitteln während dieses Prozesses besonders hinter den Kulissen gearbeitet wurde, habe ich in diesem Artikel zumindest andeutungsweise beschrieben.

Den Presserat rief ich 2014 an in der Hoffnung, wenn schon nicht rechtliche so wenigstens moralische Rückendeckung im verzweifelten Kampf um Wiedergewinnung meiner Würde und Integrität als Mensch und engagierte Leserin zu erhalten. Doch auch dort wurde ich eiskalt abserviert. Die Presseanwälte des Madsack-Konzerns intervenierten beim Presserat mit schamlosen Lügen: sie behaupteten beispielsweise, ich hätte mich über die Leserbriefveröffentlichung „gefreut und mich bedankt“ (!) und man sei mir seitens der Redaktion „mit Rat und Tat zu Seite gestanden“.

Nichts davon traf zu!  Zwar hatte noch der Chefredakteur in einem Telefonat wenige Tage nach der Veröffentlichung versichert, Leserbriefe seien „generell von der Meinungsfreiheit gedeckt“, doch davon war im gesamten weiteren Verlauf des Dramas nichts zu merken: die Zeitung half zu keinem Zeitpunkt ihrer Leserin, sondern ausschließlich denen, die mich angriffen.

Der Presserat hatte offenbar nicht die Absicht, die Angelegenheit vertiefend zu behandeln. Auch er war hinter den Kulissen durch die Madsack-Anwälte unter Druck gesetzt worden. In einer dürren Erklärung wurde die Leserbrief-Veröffentlichung als Ergebnis einer „Verkettung unglücklicher Umstände“ abgetan. Die Zeitung erhielt weder eine Rüge, noch wurde mir die Veröffentlichung einer Klarstellung zugestanden.

Und so sah ich mich als engagierte Leserin, Umwelt-Whistleblowerin und Bürgerin, die sich beharrlich und couragiert für gesellschaftliche Belange  einsetzt, vollkommen alleingelassen. Ich erlebte eine gleichgültige Umwelt und eine – was mich noch viel mehr erschütterte – willkürlich agierende Justiz, die nach einem Prinzip des „Rechts des Stärkeren“ Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit aushebelt und  unbescholtene Bürger kurzerhand zu Tätern stempelt.

Doch es gibt Menschen, die sich mit Missständen in der Gesellschaft nicht abfinden können oder wollen. Sei es, weil sie zu stark mitleiden mit Benachteiligten oder Gequälten, weil sie die Folgen der Umweltzerstörung für kommende Generationen fürchten, oder weil sie die Ungleichbehandlung von Privilegierten und Nichtprivilegierten (im Berufsleben oder auch sonst) nicht ertragen können. Diese Menschen nennt man „Whistleblower“.

Wikipedia: >>Whistleblower sind Menschen, die illegales Handeln, Missstände oder Gefahren für Mensch und Umwelt nicht länger schweigend hinnehmen, sondern aufdecken. Sie tun dies intern innerhalb ihres Betriebes, ihrer Dienststelle oder Organisation oder auch extern gegenüber den zuständigen Behörden, Dritten, oder auch der Presse<<

Den Schutz von Whistleblowern haben sich viele Politiker aufs Schild geschrieben – gemeint sind hier aber in der Regel diejenigen, die ganz „große“ Skandale aufdecken. Sie stehen im Gegensatz zu Alltags-Whistleblowern  im Rampenlicht und haben die moralische Rückendeckung einer breiten Öffentlichkeit.

Auch wenn es um Meinungsfreiheit geht, sind sich Politik, Medien und Gesellschaft schnell einig: sie muss verteidigt werden! Jeder von uns hat den Fall Böhmermann verfolgt und findet es nachvollziehbar und selbstverständlich, dass das ZDF ihn im Rechtsstreit mit Diktator Erdogan moralisch, juristisch und finanziell unterstützt.

Doch ich heiße nicht Böhmermann und mich hat weder die Zeitung, noch sonst eine öffentliche Institution moralisch, menschlich, publizistisch oder juristisch unterstützt. Unterstützung bekam ich nur sporadisch in Form von aufmunternden E-mails oder einigen wichtigen Gesprächen mit nahestehenden Menschen.

Der Prozess um den unautorisierten Lesebrief kostete mich rein finanziell eine fünfstellige Summe, aber was noch viel schlimmer ist: er kostete mich über einen langen Zeitraum meine seelische, mentale und körperliche Gesundheit.

Die Anfeindungen, Demütigungen und Bedrohungen im Verlauf des gerichtlichen Rachefeldzuges griffen mich so sehr an, dass ich monatelang unter Herzrhythmusstörungen, Schlafstörungen, Albträumen, Stimmungstiefs und vielen körperlichen Schmerzen litt. Erst viele Monate nach Prozessende ließen diese Symptome langsam nach.

Während der gesamten Zeit war ich mit unvermindertem Engagement für meine Patienten da. Mit unglaublicher Selbstdisziplin und professioneller Haltung schaffte ich es, meine überschattete persönliche Situation von meiner Arbeit fernzuhalten.

Mein Umweltengagement habe ich niemals in dieser Zeit ruhen lassen, sondern vielmehr immer weiter verstärkt. Meine Sammlung von Fakten zum Thema „Winter und Salz“ und vor allem die selbst angefertigten Fotos und Dokumentationen beispielsweise zum  Zustand Streusalz-geschädigter Bäume dürften überregional einzig dastehen.

Doch die Folgen des unsäglichen „Leserbriefes“ überschatten mein Leben und  mein Engagement unvermindert. So werde ich bzw. meine Umweltaktivitäten bis zum heutigen Tage von Presse und Stadtpolitik weitgehend totgeschwiegen und ignoriert.

Möllns Bürgermeister Jan Wiegels unterstützte noch Anfang 2014 mein Engagement, indem er eine Straßenaktion von mir besuchte und sogar noch einen gemeinsamen Pressetermin(!) ankündigte – dann wurde er aber schnell von konservativen und gesellschaftlich mächtigen Kräften hinter den Kulissen ausgebremst und vermeidet nun jeglichen Kontakt, was ich persönlich sehr bedaure.

Bewirkt hat mein unermüdliches Engagement bis jetzt leider nicht viel: weiterhin werden Jahr für Jahr Millionen und Abermillionen Tonnen Salz gedanken- und verantwortungslos in die Umwelt gepumpt, wo sie immer weiter kumulieren und langfristig noch viel katastrophalere Auswirkungen haben werden als das jetzt schon der Fall ist. Deshalb werden ich mit meinen Bemühungen um Aufklärung über dieses brisante Umweltthema nicht nachlassen, solange es meine Kräfte erlauben.

Ich möchte aber auch verhindern, dass dieser nie aufgearbeitete Presseskandal um eine engagierte Leserin, die zu Unrecht gerichtlich verfolgt und von der Zeitung im Stich gelassen wurde,  vollends in Vergessenheit gerät.

Mölln, den 9. April 2017

Beate Schicker

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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