Möllner Leserbriefprozess - die Klage im Wortlaut

01.02.2015 10:29

Ursprünglich (am 21.3.2013) lautete die Klage im Möllner Leserbriefprozess auf "Unterlassung von Behauptungen". Wer hier fleißig gelesen hat, weiß: ich konnte schon vor der ersten Gerichtsverhandlung widerlegen, jemals irgendetwas über die Kläger behauptet zu haben. Der veröffentlichte "Leserbrief" hatte zu der irrtümlichen Annahme der Kläger geführt, sie seien mit ihm gemeint.

Die Klage konnte nur aufrechterhalten werden, indem "Behauptungen" durch "Eindruckserweckungen" ersetzt wurden. Das ist rechtswidrig, wie ja meine Anwälte auch nachgewiesen haben. Zur "Erweckung von Eindrücken" braucht es mehrere Faktoren, von denen ein nicht unerheblicher Teil beim Empfänger - oder wie man sagt: "im Auge des Betrachters" liegt.

Deshalb gab es in den vergangenen Jahren auch eine Menge höchstrichterlicher Urteile, die die Klage auf "Eindruckserweckungen" verbieten (s. mein Blogeintrag vom 7.1.)

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Dennoch wollen die Kläger jetzt im Hauptsacheverfahren Eindruckserweckungen verbieten lassen. Zudem erhöhten sie erst einmal kräftig den Streitwert von 3000 Euro auf 10 000 Euro, und gingen damit auch gleich zum Landgericht. Dort bekamen sie - bisher zum ersten Mal - jedoch Grenzen gesetzt, indem die Klage mit dem ursprünglichen Streitwert zurück ans Amtsgericht verwiesen wurde.

Und hier nun der Wortlaut der Klage:

„Es wird der Beklagten untersagt, gegenüber Dritten den Eindruck zu erwecken,

dass die Kläger

  • in der xxxxxstraße am xxx in Mölln Streusalz auf den Gehweg aufgebracht haben
  • ihren Mitmenschen ein extrem schlechtes Beispiel im Umgang [mit der] Umwelt geben
  • sich gesetzeswidrig verhalten
  • sich moralisch verwerflich verhalten“.

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Wie der Leser unschwer feststellen kann: es wird nicht spezifiziert, wie ein solcher Eindruck entstehen könnte. Im Einstweiligen Urteil hieß es ja noch: "durch Äußerungen", das wurde von den Klägern fallengelassen. So ist der Klagegegenstand jetzt noch weitergefasst und beliebig interpretierbar.

Die Welt um uns herum ist voller Informationen, die bei uns als "Eindrücke" ankommen und individuell verarbeitet werden. Ich nenne ein paar Beispiele.

Wenn Sie ein wildes Tier fangen und in einen Käfig sperren, wird es ihnen durch Fauchen, Kratzen oder Zähnefletschen schnell den Eindruck vermitteln, es wolle sie angreifen. Dabei hat es einfach nur Todesangst.

Vielleicht haben Sie manchmal den Eindruck, Ihr Chef habe etwas persönlich gegen Sie - weil er sie unfreundlich anschaut oder wenig mit Ihnen spricht? - In Wirklichkeit plagen ihn vielleicht Sorgen um sein halbwüchsiges Kind, das mit Drogen erwischt wurde.

Haben Sie auch den Eindruck, dass die Zeit immer schneller vergeht? Haben Sie den Eindruck, dass die Menschen immer oberflächlicher und egoistischer werden? Dass die Kinder früher mehr in der Schule gelernt haben? - Und dass Ihr Nachbar eingebildeter geworden ist, seit er zum Abteilungsleiter befördert wurde?

Eindrücke und Vorurteile, auf die sie treffen, bestimmen das menschliche Denken.

Wie soll ich denn z.B. überhaupt den "Eindruck" erwecken können, dass irgendwelche anderen Menschen "moralisch verwerflich" handeln?

Lesen Sie mal bei Twitter und auf Online-Zeitungen, egal ob SPIEGEL, ZEIT, FAZ, Focus etc.etc.  einen Tag lang Kommentare über Angela Merkel. Filtern Sie nur die Kommentare heraus, in denen Frau Merkel "moralisch verwerfliches" Handlen vorgeworfen wird. - Stellen Sie sich nun vor, Frau Merkel würde jeden dieser Autoren auf Unterlassung verklagen, weil er den "Eindruck" erweckt habe, Frau Merkel handle moralisch verwerflich.

Merken Sie etwas? Dieser Klagegegenstand führt sich selbst ad Absurdum! Man hat es selbst nicht in der Hand, den "Eindruck zu erwecken", dass andere Personen unmoralisch sind oder handeln - man kann allerhöchstens den Eindruck erwecken, dass man selbst über diese Personen so denkt! Alles weitere liegt im Interpretationsrahmen des Empfängers.

Eine Eindruckserweckung ist - um es wissenschaftstheoretisch auszudrücken - nicht operationalisierbar.

Darum bin ich in Übereinstimmung  mit meinen Anwälten der Überzeugung, dass diese Klage unhaltbar ist. Sie hätte aufgrund des nicht klar definierten Klagegegenstandes schon überhaupt nicht angenommen werden dürfen. Da das Gericht sie aber angenommen hat, stelle ich mich noch auf einen langen, steinigen Weg ein.

Ich danke Ihnen für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung!

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